Thomas Höft – kurz
Ich produziere Kunst. Das hat viele Vorteile, und hier sind meine zwei liebsten:
1. Entgegen vielen anderen Dingen, die man dringend zum Leben braucht, ist Kunst nicht überlebensnotwendig, auch wenn manche das Gegenteil behaupten. Und ihr Wert ist völlig imaginär. Gut, ein Gemälde von Picasso oder eine Violine von Stradivari haben einen Brennwert, aber das war es dann auch schon fast (wenn man den Versicherungswert mal beiseite lässt). Dafür ist die Freiheit, etwas zu schaffen, das nicht notwendig ist und grundsätzlich wertlos, unermesslich schön.
2. Man lernt so viel.
Thomas Höft – persönlich
Ich bin im Wendland geboren, am Rande der Lüneburger Heide, im Nichts des ehemaligen Zonenrandgebiets. Aufgewachsen bin ich im Krieg. Mein Großvater, ein halbblinder Hilfsarbeiter, lebte in meiner Jugend in den Siebzigern immer noch in den Schützengräben von Ypern und jenen an der Somme, meine Mutter, eine Hausfrau mit sehr später aber umso schönerer Schauspielkarriere, auf der Flucht aus ihrem geliebten Sternberg und im Bombenhagel von Frankfurt an der Oder.
Ich war vierzehn, als der Wald von Gorleben brannte, und habe die Gründung der Grünen Alternativen Liste auf dem Schulhof miterlebt. Beim Demonstrieren konnte man dort weltberühmte Künstler einfach im Vorbeigehen kennenlernen. Mit H.C. Artmann habe ich ferngeschaut - „alles, bloß keine Krankenhausserien...“, wir waren beide Hypochonder, mit Gerald Humel Liebe und Hass zu den USA diskutiert und mit Erich Reischke die Geheimnisse der Abstraktion gelöst. Mit AR Penck haben wir im Garten Apfelkuchen gegessen und gezeichnet, und mit Edda Rosemann Videos gedreht und überhaupt alles in Frage gestellt. Das hätte eigentlich schon gereicht. Außerdem hab ich aber zufällig im Fernsehen Götz Friedrichs Inszenierung von „Lohengrin“ gesehen, da war ich siebzehn, und wusste, dass ich Opern dichten wollte. Ich konnte mir nur noch nicht vorstellen, wie. Und als ich per Autostopp nach Hamburg in die Oper trampte, da war ich zwanzig, legte meine Mitfahrgelegenheit in ihrem VW-Käfer eine Kassette mit Bachs Motetten ein, dirigiert von Nikolaus Harnoncourt. Ich hatte nicht die geringste Ahnung von Historischer Aufführungspraxis, aber es hat mich umgehauen. Auf die dringliche Frage, wo man denn mehr erfahren könne, empfahl mir die Fahrerin die Seminare der Tage der Alten Musik in Innsbruck, wo ich schließlich auch hinpilgerte, jeden Sommer. Inzwischen hatte ich studiert und ein Volontariat bei der heimischen Elbe-Jeetzel-Zeitung begonnen. Dass mir H.C. Artmann schließlich die Möglichkeit zu meiner ersten Theateruraufführung an den Hamburger Kammerspielen verschaffte, Götz Friedrich sogar zwei Opern bei mir bestellte und inszenierte, und ich schließlich 23 Jahre an der Seite von Nikolaus Harnoncourt das Festival Styriarte mitgestalten durfte, ist mir dann zwar irgendwie logisch vorgekommen, aber auch eher passiert, als dass es wirklich geplant war.
Inzwischen sind die meisten der eben Erwähnten tot. Und das Buch „Die Uraufführungen an der Wiener Staatsoper 1869-2010“ endet mit meinem „Pünktchen“. Mehr habe ich mir beim besten Willen nie vorstellen können. Also bin ich endlich beim Unvorstellbaren angelangt. Und sehr neugierig, was daraus wohl wird.
Thomas Höft – offiziell
geboren 1961 in Lüchow-Dannenberg, Deutschland. Studium der Kunstgeschichte (bei Horst Bredekamp), Literaturwissenschaft (bei Hartmut Böhme), Musikwissenschaften und Sprachpsychologie an der Universität Hamburg, Magister Artium. Volontariat und Gründung des überregionalen Feuilletons der Elbe-Jeetzel-Zeitung.
Thomas Höft arbeitet als Autor, Regisseur und Dramaturg in sehr unterschiedlichen Bereichen der Kunst. Er verantwortet große historische Themenausstellungen in deutschen und österreichischen Museen und schreibt Sachbücher – für „Welt aus Eisen“ wurde er mit dem Österreichischen Staatspreis Buchkunst ausgezeichnet. Vor allem aber ist er mit zahlreichen Theaterstücken und Opernlibretti bekannt geworden, u.a. für die Deutsche Oper Berlin, die Komische Oper Berlin und die Bregenzer Festspiele. Bisheriger Höhepunkt war 2010 an der Wiener Staatsoper die Uraufführung von Thomas Höfts Oper „Pünktchen und Anton“ nach Erich Kästner zur Musik von Iván Eröd. Durch Götz Friedrich zu ersten Regiearbeiten ermutigt, nimmt die Musiktheaterregie einen gewichtigen Raum in Thomas Höfts Schaffen ein.
Seit 1994 arbeitet Thomas Höft als Dramaturg des Festivals Styriarte Graz, das für Nikolaus Harnoncourt gegründet wurde. Seit 2003 ist er auch Dramaturg des Osterfestivals Psalm Graz. Zudem war er Intendant des Brandenburger Theaters, der Bewerbung Augsburgs zur Kulturhauptstadt Europas und des Festjahres Pax2005 zum Jubiläum des Augsburger Religionsfriedens. Von 2012 bis 2018 war er Direktor des Kölner Zentrums für Alte Musik (ZAMUS) und Künstlerischer Leiter des Kölner Festes für Alte Musik. Mitgründer des Künstler- und Musiktheaterkollektivs ĀRT HOUSE. 2018 und 2019 verantwortete er die Dramaturgie der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci. Als Gründer und Vorstand der Kölner Offenbach-Gesellschaft war Thomas Höft maßgeblich an der Vorbereitung des großen Offenbach-Jubiläums 2019 beteiligt. Zudem war er 2019 Co-Curator des Festivals Oude Muziek in Utrecht, des größten Festivals für Alte Musik der Welt. Mitgründer des Vereins Originalklang e.V. und 2020 des Festivals KlosterKlaenge. Künstlerische Leitung des Festivals Shalom-Musik.Koeln seit 2021.